Schwankender Ton bei zwei Kanzelmikros

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TomBOX
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Registriert: Mi Apr 30, 2014 3:57 pm

Schwankender Ton bei zwei Kanzelmikros

Beitrag von TomBOX »

Hallo allerseits,

nachdem wir (in der Brüdergemeinde Chemnitz) neue Ton- und Lichttechnik installiert haben, stelle ich, als einer der Tontechniker, fest, dass die Kanzelmikrofone etwas eigenartig sind - oder falsch eingestellt sind. Das wäre noch zu klären. ;)

Es handelt sich hierbei um Kondensatormikrofone mit kleinem Kopf (Niere), die wir an - in der Länge einstellbaren - Schwanenhälsen installiert haben. Der Effekt, der nun eintritt, äußert sich in einem schwankenden bzw. schwebenden Aufnahmeeffekt. Anders kann ich es nicht erklären. Man könnte es sich noch so vorstellen, dass man ein Mikrofon in die Hand nimmt - genau vor den Mund hält - beginnt zu sprechen und man dann am Mischpult die Stereokanäle abwechseln auf und zu dreht, so dass ein Effekt entsteht, als würde die Stimme von links nach rechts wandern und wieder zurück.

So ähnlich ist das an der Kanzel. Wenn der Sprecher sich mal dreht oder einen halben Schritt zur Seite geht und damit eins der zwei Mikrofone mehr aufnimmt als das andere, dann klingt das total komisch.

// Aufbau der Mikrofone, Tests

Die beiden Mikrofone sind in einer Halterung direkt an der Kanzel - parallel vor dem Rednerplatz - angebracht. Die Mikros sind leicht zur Mitte des Redners gedreht. Jedes Mikro wird über einen eigenen Kanal abgegriffen.

Nun ist klar, dass die Aufnahmebereiche sich überlagern. Wir haben schon versucht die Position der Mikros zu ändern (höher, tiefer, näher am Redner, weiter weit, enger zusammen, weiter auseinander). Am Mischpult versuchten wir schon die einzelnen Kanäle so einzustellen, dass die der linke Ausgabekanal (bgzl. Stereoausgabe) jeweils mehr Signal vom linken Mikro erhält und beim rechten ebenso. Das mindert den Effekt ein wenig, hilt aber nicht richtig. Treibt man das zu weit, wird das Signal zu schwach und wir müssen das gemixte Ausgabesignal verstärken. Das erzeugt tendentiell mehr Rauschen. Beide Mikros über einen Kanal abzugreifen hilft natürlich auch nichts. Das verstärkt den ungewollten "Stereoeffekt" noch.

Wie können wir diese schwankenden Aufnahmeeffekte vermeiden? Meiner Beobachtung nach gibt es im Bundestag eine ähnliche Konstellation - zwei parallele Mikros. Dort entsteht dieser komische Effekt aber nicht, wenn die Redner sich zur Seite wenden und weiterreden. Unter Umständen wird es leiser aber nicht schwankend als würde man die Position ändern. Ich habe schon versucht manuell gegenzusteuern und - live - die einzelnen Kanäle zu steuern. Aber das ist fast unmöglich. Man müsste bereits vorher wissen wann sich der Redner wohin wendet, um die Kanäle entsprechend anzupassen. Und manch einer ist da sehr unvorhersehbar.

Ich hoffe, dass ich mich halbwegs verständlich ausgedrückt habe. ;)


Ciao,
Tom
Herzliche Grüße,
Tom
Marcelo
Beiträge: 1
Registriert: Sa Okt 04, 2014 10:38 pm

Beitrag von Marcelo »

Hallo Tom,

zu meinem Hintergrund, ich bin Techniker beim Fernsehen.
Erst einmal: warum nutzt ihr zwei Mikros? Der Aufnahmebereich einer Niere ist im Normalfall breit genug um einen Redner abzudecken. Im Fernsehen sieht man oft, dass zwei Mikrofone genutzt werden, dies dient in der Regel nur der Ausfallsicherheit: Falls plötzlich Störungen auf der einen Leitung sind oder das Mikrofon faxen machen, kann das andere übernehmen. Im Plenarsaal des Bundestags stehen zwei KEM 970 (Superniere) angewinkelt zum Redner hin - das Pegeln übernimmt soweit ich weiß ein automatische Prozessor, der zwischen beiden Mikrofonen hin- und herschaltet, bzw. fährt.
Einen Redner live Stereo abzunehmen macht auch wenig Sinn, denn er steht während seiner Rede (oder in dem Fall Predigt) an ein und dem selben Fleck. Wenn er nicht technisch verstärkt würde, käme der Schall auch über die ganze Zeit aus ein und der selben Richtung (egal ob er in die eine oder andere Richtung spricht).
So ganz kann ich den Effekt leider nicht nachvollziehen, den du beschreibst. Ich verstehe es jetzt mal als Pegelschwankungen, die als Lautstärkeschwankungen wahrgenommen werden. Das kann vielleicht durch einen Phasendreher entstehen - invertierte Wellen löschen sich gegenseitig aus und durch Schwankungen, die durch Kopfbewegungen entstehen geschieht diese Löschung ungleichmäßig. Bei digitalen Tonpulten kann man die Phase eines Signals sehr einfach drehen. Der Phasendreher kann eventuell durch eine falsche Verkabelung entstanden sein.
Dies ist aber jetzt nur meine Theorie, die ich aus der Ferne aufgestellt habe. Ich rate dazu ein Mikro an der Kanzel zu verwenden, so ist es bei uns auch installiert.
Nichtsdestotrotz sind Stereoaufnahmen ein schönes Thema. Es kann super funktionieren, aber auch ziemlich viel in die Hose gehen. Die wohl bekanntesten Verfahren sind AB-, XY- und Äquivalenzstereophonie. Innerhalb dieser Verfahren gibt es einige Grundgrößen mit denen man umzugehen wissen sollte (Abstand der Mikrophone, Winkel, Charakteristik...) Anleitungen dazu sind im Internet reichlich zu finden.

Beste Grüße,
Marcel
TomBOX
Beiträge: 3
Registriert: Mi Apr 30, 2014 3:57 pm

Beitrag von TomBOX »

Hi Marcel,

vielen Dank für Deine ausführliche Information.

Marcelo hat geschrieben:Erst einmal: warum nutzt ihr zwei Mikros? Der Aufnahmebereich einer Niere ist im Normalfall breit genug um einen Redner abzudecken.
Das Warum lässt sich von mir nur teilweise beantworten. Als ich vor einigen Jahren dazu kam, waren bereits zwei Mikros installiert. Insofern beließ man es einfach dabei, schätze ich. Den Umbau und Neuaufbau begleitete ich nicht mit. Damals war ich noch nicht so involviert.
Marcelo hat geschrieben:Im Fernsehen sieht man oft, dass zwei Mikrofone genutzt werden, dies dient in der Regel nur der Ausfallsicherheit: Falls plötzlich Störungen auf der einen Leitung sind oder das Mikrofon faxen machen, kann das andere übernehmen. Im Plenarsaal des Bundestags stehen zwei KEM 970 (Superniere) angewinkelt zum Redner hin - das Pegeln übernimmt soweit ich weiß ein automatische Prozessor, der zwischen beiden Mikrofonen hin- und herschaltet, bzw. fährt.
Ausfallsicherheit. Automatik. Interessant. Das sind natürlich ganz andere Welten, das war mir schon klar. ;)
Marcelo hat geschrieben:Einen Redner live Stereo abzunehmen macht auch wenig Sinn, denn er steht während seiner Rede (oder in dem Fall Predigt) an ein und dem selben Fleck. Wenn er nicht technisch verstärkt würde, käme der Schall auch über die ganze Zeit aus ein und der selben Richtung (egal ob er in die eine oder andere Richtung spricht). So ganz kann ich den Effekt leider nicht nachvollziehen, den du beschreibst. Ich verstehe es jetzt mal als Pegelschwankungen, die als Lautstärkeschwankungen wahrgenommen werden. Das kann vielleicht durch einen Phasendreher entstehen - invertierte Wellen löschen sich gegenseitig aus und durch Schwankungen, die durch Kopfbewegungen entstehen geschieht diese Löschung ungleichmäßig.
Es könnten Pegelschwankungen bzw. Pegeldifferenzen sein, stimmt. Allerdings wüsste ich jetzt nicht ad hoc wie ich das nachprüfen könnte. Ich könnte zumindest mal die Pegelanzeige (LEDs) genauer beobachten, um zu sehen, ob sich dort Unterschiede in den zwei Kanälen zeigen.
Marcelo hat geschrieben:Bei digitalen Tonpulten kann man die Phase eines Signals sehr einfach drehen. Der Phasendreher kann eventuell durch eine falsche Verkabelung entstanden sein. Dies ist aber jetzt nur meine Theorie, die ich aus der Ferne aufgestellt habe.
Wir haben ein analoges Mischpult (Soundcraft LX7 - 16 Kanäle).
Marcelo hat geschrieben:Ich rate dazu ein Mikro an der Kanzel zu verwenden, so ist es bei uns auch installiert.
Wir verwenden derzeit zwei Kleinmembran-Kondensatormikrofone mit Nierencharakteristik in einer Ebene, mit einem Abstand von ca. 30cm, angewinkelt. Deiner Empfehlung folgend, werde ich die Mikros mal direkt nebeneinander - in der Mitte - platzieren. Damit müsste der Pseudo-Lokalisierungsfehler behoben und gleichzeitig eine gewisse Ausfallsicherheit hergestellt sein. Vielleicht können wir auf diese Weise, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Marcelo hat geschrieben:Nichtsdestotrotz sind Stereoaufnahmen ein schönes Thema. Es kann super funktionieren, aber auch ziemlich viel in die Hose gehen. Die wohl bekanntesten Verfahren sind AB-, XY- und Äquivalenzstereophonie. Innerhalb dieser Verfahren gibt es einige Grundgrößen mit denen man umzugehen wissen sollte (Abstand der Mikrophone, Winkel, Charakteristik...) Anleitungen dazu sind im Internet reichlich zu finden.
Uff... hab mich eben mal ein wenig in die Äquivalenzstereophonie eingelesen. Wenn ich nicht wüsste, dass andere unserer "Techniker" noch weniger Ahnung haben, würde ich zurücktreten. ;) Da gibt es doch eine ganze Menge Grundlagenwissen, das uns noch fehlt...
Herzliche Grüße,
Tom
hias.h
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Beitrag von hias.h »

Das was du beschreibst ist normal. beruhigend zu wissen, dass die Physik noch funktioniert.

Das ist eine ganz normale Interferenz. Solange der Sprecher exakt mittig zwischen den Mikrofonen steht, nehmen die beiden Kapseln genau das gleiche auf - mit gleicher Phasenlage. Wenn allerdings einer der Kapseln weiter weg ist als die andere, braucht auch der Schall länger zu der einen als zu der anderen und es entstehen Auslöschungen. Im Extremfall treffen Wellenberg auf Wellental und summieren sich zu Null. Da dies nicht nur bei einer Frequenz, sondern immer auch bei den Obertönen dieser Frequenz passiert, spricht man von einem Kammfilter. Graphisch dargestellt weist die Kurve sehr viele "dünne Zacken" auf. Bei welcher Frequenz das passiert ist abhängig von dem Weglängenunterschied zwischen Sprecher und den einzelnen Kapseln. Da sich der ständig ändert (wenn auch nur minimal) entsteht dieses störende Klangbild. Wenn man den Sprecher festschrauben könnte und die Abstände und damit die Frequenz immer gleich bleiben würde klingt es bei weitem nicht so schlimm - und nur in diesem statischen Fall hilft die Polaritäts-Invertierung (allg. fälschlicherweise als "Phase drehen" bezeichnet)

Aber was tun?

Marcel hat bereits geschrieben, dass das zweite Mikro häufig nur als back up dient. In diesem Fall zieht man es am Pult einfach komplett runter. (und bei bedarf halt wieder hoch)

Falls es aber doch aktiv verwendet werden soll um einen größeren räumlichen Bereich abzudecken oder bei Kopfdrehung noch gutes Signal zu haben, gibt es folgendes zu beachten:
Dann sollten die Mikros möglichst wenig Überlappungsbereich haben und das momentan nicht genutzte zudem noch deutlich leiser (min 12dB) als das besprochene eingestellt sein. der Hintergrund ist der: Bei gegebener Frequenz X (Wellenlänge = 2x Wegdifferenz) entsteht eine Auslöschung. Wenn allerdings eines der Mikros leiser ist, ist z.B das Wellental gar nicht groß genug um den Wellenberg zu verschlucken. Es gibt zwar eine klangliche Änderung, aber die ist lange nicht so schlimm.

Ja, dafür braucht man flinke Finger, oder eine Automatik. Shure z.B baut kleine Automixer, die genau so etwas können.

Bitte vergesse das ganze Links-rechts-Sprecher-wild-durch-die-gegend-pannen.
Das ist hier nicht zielführend, vom theoretischen Grundsatz aber nicht doof, denn:

Mit Lautsprechern verhält es sich genau so wie mit Mikrofonen. Ein Signal auf zwei Lautsprecher geschickt ergibt für alle die Nicht exakt mittig stehen auch wieder Interferenzen. Das wird nur nicht so schlimm wahrgenommen, weil unsere 2 Ohren auch wieder einen Abstand zueinander haben und dazwischen der beste jemals gebaute Automixer verbaut ist und die meist katastrophale Akustik des Kirchenraums (auch in freien Gemeinden, dafür Entschuldige ich mich nicht!) Das ganze mit einer ordentlichen Menge Diffusschall verwischt.

Im besten Fall schickt man lieber Mono-Signale über eine Punktschallquelle zu den Zuhörern
Matze M
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Beitrag von Matze M »

Hallo Tom,

dem geschriebenen ist eigentlich nichts hinzuzufügen da sehr gut erklärt und soweit ich das beurteilen kann fachlich genau richtig.
Ich mache den Tontechnikjob in unserer Gemeine seit ca. 2 Decaden und habe in meiner Anfangszeit auch genau diesen Effekt (mit und ohne "Phasendreher" :oops: ) erlebt. Wir sind daher recht bald zu einem Mikro gewechselt, was genausogut geht. Wenn aus irgendwelchen optischen oder psychologischen Gründen 2 Mikros zu sehen sein sollen, schaltet eines einfach ab oder verfolgt die zugegeben sehr elegante Lösung die mein Vorredner beschrieben hat.
Unabhängig ob ein oder 2 Mikros verwendet werden empfehle ich aber für Redner den Einsatz eines Kompressors (den ihr bei einem analogen Pult in den Insert einschleifen könnt). Dieser nimmt zwar etwas "Headroom" gleicht aber richtig eingestellt einen Teil der natürlichen Lautstärkeschwankung die durch unterschiedliche Sprechabstände, Einsprechwinkel und natürlich auch die Dynamik des Sprechers entstehen aus. So Teile bekommt man sicher mittlerweile gut gebraucht, da die neuen Digipulte das natürlich drin haben.

LG Matthias
Und ich werde dem Getöne deiner Lieder ein Ende machen, und der
Klang deiner Lauten wird nicht mehr gehört werden. Hesekiel 26,13
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